Jeder spricht über sie, sie bekommt mediale Aufmerksamkeit und  ihre jüngsten Erfolge geben uns, den Jusos, Anlass zur Sorge. Deswegen möchten auch wir uns intensiv mit dem rechten Rand unserer Gesellschaft beschäftigen. So haben wir uns  intensiv mit dem Wahlprogramm der Alternative für Deutschland (AfD) beschäftigt.

Vor vier Jahren gab es die Partei noch gar nicht, heute sitzen  bereits in zehn Landtagen Vertreter der Alternative für Deutschland. Im Zuge der Asylthematik erlebt sie derzeit starken Aufwind und erfährt Zuspruch von einer heterogenen Wählerschaft. Die Mehrzahl der AfD-Wähler ist männlich. Bezüglich des Bildungsstandards des „typischen“ AfD-Wählers widersprechen sich die Angaben verschiedener Quellen. Eine FORSA-Umfrage aus dem Jahr 2014  behauptet, 55 Prozent der Wähler hätten Abitur und studiert und seien lediglich kritisch gegenüber der aktuellen Wirtschafts- und Flüchtlingspolitik eingestellt.  Aktuelle Zahlen der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) sehen hingegen einen Mann um die 50 Jahre, mit Haupt- oder Realschulabschluss, der zur unteren Mittelschicht gehört und mittleres Einkommen verdient, als der „typische“ AfD-Wähler.  Das Leitmotiv, AfD zu wählen ist: „Ich möchte so bleiben, wie ich bin!“

Ende April fand in Stuttgart der fünfte Parteitag der Alternative für Deutschland statt. Auf der Tagesordnung stand die Verabschiedung des Parteiprogramms.
Doch was steht da eigentlich konkret drin? Lest mehr!

Im Folgenden wollen wir uns die Forderungen und Positionierungen der AfD zur Sozial- und Familienpolitik, Bildungspolitik, Wirtschaftspolitik aber auch zum Thema Identität, Einwanderungspolitik sowie Energiepolitik näher anschauen.

Betrachtet man die Alternative für Deutschland genauer, lohnt es sich den deutschen Soziologen Andreas Kemper zur Rate zu ziehen. Er hat sich sehr intensiv mit den Strömungen innerhalb der Partei beschäftigt. Dazu muss man wissen, dass die AfD in Folge der Finanzkrise entstanden ist und einige Thesen von Thilo Sarrazin dort erkennbar sind.  Seine Thesen und das Wahlprogramm der AfD haben (mindestens) eines gemeinsam: die ablehnende Haltung gegenüber dem Islam.

Werfen wir nun einen Blick auf die Strömungen, die den Grundstein für das Parteiprogramm legen:

Die neoliberalistische Strömungen in der AfD (vertreten durch: Sven Tritschler)

  • stellen sich gegen den Sozialstaat (überspitzt formuliert: „Warum soll ich für die Menschen, die nichts leisten, bezahlen“)
  • meinen jeder  ist selbst für sich verantwortlich und muss auf eigenen Beinen stehen   – „in Zeiten der Not sollen Arbeitslose erst ihre inneren Organe verkaufen, bevor sie dem Staat zur Last fallen“ (Peter Oberender)
  • verneinen das allgemeine Wahlrecht für alle. Sonst könnten diejenigen, die vom Staat leben, die Mehrheit bilden und sich einen immer höheren Geldbetrag zuschreiben. Sie fordern also, dass Menschen, die Leistungen vom Staat beziehen, nicht mehr wählen dürfen.
  • fordern daher einen Minimalstaat – Kein „Nanny-Staat“ mehr!
  • treten für die Privatisierung aller staatlicher und staatlich unterstützter Unternehmen ein
  • möchten ein lockeres Waffengesetz

Die ultrakonservative Strömungen – Christen in der AfD (vertreten durch Beatrix von Storch)

  • bekämpfen die Abtreibung
  • sympathisieren mit PEGIDA
  • möchten die Abschaffung von Antidiskriminierungsgesetzen
  • wollen die Monarchie wieder zurückholen
  • streben nach mehr Ungleichheit (zwischen Mann und Frau)

Die völkisch-nationalistische Strömungen in der AfD (Vertreten durch Björn Höcke):

  • stehen für die „Neue Rechte“
  • kooperieren mit der Neonazi-Szene
  • verwenden Begriffe aus der NS-Zeit (organische Marktwirtschaft, entartete Volkswirtschaft)
  • sind der Meinung es fehle an Männlichkeit
  • plädieren für die Wiedereinführung der Wehrpflicht für Männer, damit die Vaterlandsliebe wieder gelebt wird
  • denken Homosexualität diene nur der Lustgewinnung – Heterosexualität hingegen stehe für die (natürliche) Bipolarität der Geschlechter
  • fordern eine Dreikinder-Politik, um dem demographischen Wandel entgegenzuwirken

Aus diesen Strömungen ergibt sich folgendes Parteiprogramm:

Sozial- und Familienpolitik:
Die AfD

  • fordert Sicherheitsverwahrung für nicht therapierbare drogen- und alkoholabhängige sowie psychisch kranke Täter
  • setzt sich für die traditionellen Wertvorstellung einer Familie ein und widersetzt sich gegen andere Formen der Familien
  • möchte Anreize setzen, dem demographischen Wandel entgegenzuwirken
  • will die Diskriminierung von „Vollzeit-Müttern“ stoppen, gemeint sind Bezieherinnen des Betreuungsgelds (  Parteiprogramm, S.29)
  • lehnt Abtreibung kategorisch ab
  • möchte Alleinerziehende unterstützen und Familien stärken. Im Parteiprogramm heißt es: „Wir wenden uns entschieden gegen Versuche (…) Einelternfamilien als normalen, fortschrittlichen oder gar erstrebenswerten Lebensentwurf zu propagieren“ (Parteiprogramm AfD, S.30)
  • lehnt Gender-Mainstreaming und jede Art von Frauen-Quoten ab

Info: Gender-Mainstreaming (GM) bedeutet, die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern bei allen Entscheidungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen zu berücksichtigen, um so die Gleichstellung durchzusetzen. (vgl. Baer, 2011 in: Fachlexikon der Sozialen Arbeit)
Die AfD meint dazu, dass GM nicht mit traditionellen christlichen Vorstellungen vereinbar sei.

Identität und Kultur:
Die AfD

  • setzt sich für „Deutsche Leitkultur statt Multikulturalismus“ (S.32 Parteiprogramm) ein
  • sieht die deutsche Sprache als Zentrum deutscher Identität
  • möchte den öffentlichen Rundfunk reformieren
  • distanziert sich vom Islam: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ (S. 34 des Parteiprogramms)
  • fordert ein Verbot von Minaretten und Verschleierung sowie von Koranunterricht in Deutschland

Bildungspolitik:
Die AfD

  • wendet sich gegen die Einheitsschule und besteht auf Differenzierung, um nicht an Qualität einzubüßen
  • fordert die Wiedereinführung der Diplom, Magister und Staatsexamen-Studiengänge
  • möchte die Anforderungen an das Studium erhöhen
  • verneint Inklusion und möchte die „Sonderschule erhalten“ – Im Parteiprogramm schreibt sie: „Die Forderung aus der UN-Behindertenrechtkonvention, behinderten Kindern Teilhabe am Bildungssystem  zu garantieren, ist bereits umfassend und erfolgreich erfüllt“ – Anmerkung der Redaktion: Dieser Satz ist faktisch falsch.

Asylpolitik, Verteidigung und Justiz:
Die AfD

  • möchte „freie Rede für freie Bürger“ (Parteiprogamm, S.42 ) wiedereinführen, das heißt Asylgegner*innen dürfen das ohne Einschränkung kundtun
  • stellt sich gegen irreguläre Einwanderung über das Asylrecht – „Deutschland ist aufgrund seiner Geschichte, Bevölkerung und geographischen Lage kein klassisches Einwanderungsland, erst recht nicht für eine Massenimmigration wie wir sie 2015 erlebt  haben“ (Parteiprogramm, S.42 )
  • gewährt Asyl nur Asylberechtigten – für alle anderen Rückführung in das Heimatland
  • wünscht sich eine Neuausrichtung der Freizügigkeit gegenüber anderen EU-Staaten, weil angeblich  zu  viele Migranten  nach Deutschland kommen, um „das Sozialsystem zu missbrauchen“ (Parteiprogramm, S.45 )
  • sagt, „Integration darf keinen Qualitätsverlust für Deutschland  bedeuten“ (Parteiprogramm, S.47 )
  • möchte die Armee stärken und wieder eine Wehrpflicht für Männer einführen
  • setzt sich für die Stärkung der Justiz ein

Wirtschaft:
Die AfD

  • stellt den Euro als Währung in Frage (fordert Volksentscheid über den Euro)
  • kämpft für die Soziale Marktwirtschaft und den freien Wettbewerb
  • möchte Bürokratie abbauen
  • stellt hohe Standards an Handelsabkommen
  • möchte den Technologiestandort Deutschland voranbringen
  • fordert die Bezahlung mit Bargeld beizubehalten

Energiepolitik und Umwelt:
Die AfD

  • fordert eine sichere, kostengünstige und umweltverträgliche Stromversorgung. Das „Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefährdet  – angeblich – (Anmerkung der Red.) die Stromversorgung!“ (Parteiprogramm, S. 62 )
  • möchte die Subventionen für Bioenergien beenden
  • plant Alternativen zur Kernenergie zu erforschen, bis dahin sollen die Laufzeiten von Atomkraftwerken verlängert werden
  • möchte unkontrollierten Ausbau der Windenergie stoppen

Schlusswort:
Wir haben nun die Ziele der AfD zusammengefasst, waren und sind  entsetzt über die teilweise martialische Wortwahl der AfD und  wir, die Jusos, sehen mit diesem Parteiprogramm und dem Wissen über die Strömungen, die die Alternative für Deutschland beeinflussen, eine Gefahr für den demokratischen Rechtsstaat der Bundesrepublik. Besonders die Sozial- und Bildungspolitik und die Haltung zum Islam sowie die Asylpolitik geben mir Anlass zur Sorge.

Neben bedenklichen Inhalten wird bei dieser Betrachtung wieder mal deutlich, dass man Parteien und Verbänden nicht aufgrund (einzelner) Forderungen und Äußerungen, denen man vielleicht zustimmt (wie z.B. Alleinerziehende und Familien zu unterstützen), folgen sollte ohne ihre dahinterstehende Gesinnung und Haltung zu kennen und einzubeziehen!

Egal, ob neoliberalistisch, ultrakonservativ oder völkisch-nationalistisch, die Alternative für Deutschland setzt sich für mein Dafürhalten für undemokratische Ziele und gegen das Gleichhheitsprinzip aller Menschen ein. Sollten Parteien wie die AfD weiterhin mehr Zuspruch bekommen, schreitet der Rechtsruck in Deutschland immer weiter voran. Dies kann im schlimmsten Fall zur Wiederholung des dunkelsten Kapitels deutscher Geschichte führen.

Quellen:
Baer,Susanne: Integration. In: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hrsg.): Fachlexikon der sozialen Arbeit. 7. Aufl. Baden-Baden: Nomos-Verlag, 20111, S. 340-341
https://www.alternativefuer.de/wp-content/uploads/sites/7/2016/03/Leitantrag-Grundsatzprogramm-AfD.pdf
http://www.hss.de/uploads/tx_ddceventsbrowser/150121_Argu_kompakt_1_2015_AfD_05.pdf
http://www.stern.de/politik/deutschland/forsa-analyse-wer-die-afd-waehlt-3172084.html
(Vortrag von Andreas Kemper)
http://www.derwesten.de/politik/wer-waehlt-bei-den-landtagswahlen-eigentlich-die-afd-id11645804.html

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