veranstaltet vom BWK Oberland und den Jusos im Kreisverband Starnberg
Das spannende Thema WikiLeaks lockte zahlreiche Gäste ins Restaurant Königswasser in Starnberg, die die Podiumsdiskussion verfolgen wollten, die der BWK-Vorsitzende Dr. Jürgen Schade moderierte. Eingeladen waren neben der Informatikerin und Juso-Vorsitzenden des Bezirks Unterfranken, Doris Aschenbrenner, der Mitbegründer des Chaos-Computerclubs in München und Jurist Dr. Julius Mittenzwei sowie der Schriftsteller Prof. Dr. Johano Strasser, der Mitglied der Grundwertekommission der SPD und im Vorstand des PEN-Clubs ist.
Jürgen Schade wollte in der Runde drei große Themenkreise diskutieren, um die Informationsfreiheit im Internet näher zu beleuchten:
1. Sinn und Funktion von Internetplattformen für Whistleblower
Bereits seit einiger Zeit ist es üblich, anonyme Anlaufstellen einzurichten, um zu erreichen, dass Missstände aufgedeckt werden können ohne den Tippgeber bloßzustellen. Internetplattformen wie WikiLeaks begreifen sich als Anlaufstelle für Whistleblower. Dabei soll der Absender anonym bleiben. Die Informationen werden idealtypisch ohne redaktionelle Bearbeitung auf die Plattform gestellt, damit sie jeder Internetuser ohne Beeinflussung nutzen kann.
Die Frage an das Podium: Ist das zulässig?
Johano Strasser bejaht dies, wenn der Geheimnisverrat aus guten Gründen passiert, weil etwas gegen die Rechte anderer läuft – allerdings ist Geheimnisverrat nach wie vor eine Straftat.
Julius Mittenzwei betont die Funktion einer Internetplattform wie WikiLeaks: Damit wurde den Journalisten ein Toolset an die Hand gegeben, um Informationen vom Informanten an die Öffentlichkeit zu bringen. Heute ist es schwierig, Informationen zu übergeben, ohne dass man nachvollziehen kann, von wem sie stammen (E-Mails hinterlassen Spuren). Auch hat WikiLeaks den Vorteil, dass Originalquellen direkt einsehbar und abrufbar sind. Wenn Quellen genannt werden, möchte man sie schließlich auch einsehen können.
Doris Aschenbrenner findet es interessant, dass um WikiLeaks-Dokumente so ein Hype gemacht wurde, es handelte sich um „ganz normale Informationen“. Positiv bewertet sie, dass man nun wie nie zuvor eine Riesenmenge an Informationen zur Verfügung hat. Johano weist noch darauf hin, dass die Informationen nicht direkt online gestellt wurden, das wäre nicht verkraftbar gewesen, sie wurden von Journalisten vorsortiert. Julius Mittenzwei bestätigt, dass Journalisten absolut notwendig sind, um kritische Stellen zu finden. Z. B. hatten bei WikiLeaks Seiten gefehlt, die der „klassische“ Journalismus gefunden hatte. Auf eine Publikumsfrage nach der Illegalität von unrechtmäßig erworbenen Informationen betont Dr. Mittenzwei, dass keine Argumentation bekannt sei, dass bei WikiLeaks strafbare Handlungen vorlägen. Im Gegenteil: WikiLeaks beruft sich auf die Pressefreiheit, die gefährdet wäre, wenn WikiLeaks verboten wäre. Strafbar macht sich jedoch der Informant, seit der Cicero-Affäre 2007 ist Beihilfe zum Geheimnisverrat durch die Presse zumindest nicht mehr strafbar.
Auf Jürgens Frage, was von dem Plan einer Enthüllungsplattform in Deutschland zu halten sei, auf welche Texte unredigiert gestellt werden sollen, meint Doris, dass es Vorteile hat, wenn ich alle Informationen lesen kann – ich muss es ja nicht. Es besteht ja immer das Problem, dass durch Weglassen eines Absatzes, in dem z. B. das vorher Gesagte eingeschränkt wird, die Information verfälscht wird.
2. Welche Regeln sollten für solche Veröffentlichungen gelten?
Bei anonymen Whistleblowern kann man nichts zurückverfolgen, ist das problematisch?
Doris hält nichts von dem Schrei nach neuen Regeln. Wir haben bereits sehr viele Regeln, die auch für WikiLeaks anwendbar sind. Auch Herr Mittenzwei bestätigt dies. Er sah jedoch ein Problem in der Internationalität. Plattformen aus dem Ausland sind ja genauso schnell abrufbar, doch herrscht dort oft eine andere Rechtsfreiheit. Texte, die nach deutschem Recht verboten wären, sind z. B. in den USA erlaubt. Wir müssen uns also international einigen. Eine Regel, die wir in Deutschland aus den USA übernehmen könnten, wäre: Wer Missstände aufdeckt, darf nicht z. B. entlassen werden oder muss zumindest eine hohe Abfindung bekommen.
Im Bereich der Kinderpornografie mokiert sich Doris über das Zugangserschwerungsgesetz unserer Regierung. Das Stoppschild auf den Websites ist nicht zielführend, hier gehört der Internetauftritt komplett gelöscht. Die Rechtslage ist klar, bloß nicht durchzusetzen.
Johano ist der Auffassung, dass es keine Regel zum Schutz der Persönlichkeitsrechte geben muss. Immerhin ist es bei der Presse schon lange gang und gäbe, Intimes über Promisternchen zu verbreiten. Julius Mittenzwei betont auch, dass Firmen selbst darauf achten sollten, dass interne Dokumente geschützt werden sollten. Er pflichtet Julian Assange bei, der rät: Je weniger konspirative Teilnehmer, desto besser.
Johano Strasser ist sich sicher, dass sich das Kräfteverhältnis nicht verändern wird zwischen denen, die Sicherheitsbarrieren errichten, und denjenigen, die sie zu knacken versuchen.
3. Gibt es einen „Cyberkrieg“ gegen WikiLeaks?
Es gibt keinen Zweifel, dass die USA WikiLeaks nach der Veröffentlichung der US-Depeschen zerschlagen will.
Alle drei Diskussionsteilnehmer halten das Wort „Cyberwar“ für unsinnig. Mit Krieg habe das nichts zu tun. Dr. Mittenzwei ist sich auch sicher, dass es machbar wäre, sichere Computer zu entwickeln, doch ist es zu aufwendig, sämtliche Computer gegen sichere auszutauschen. Auch Doris sieht die Spiegelung der Inhalte auf ausländische Server eher als einen demokratischen Prozess an und nicht als einen Krieg.
Johano hält den Begriff Cyber War ebenfalls für unangemessen, räumt jedoch ein, dass man erheblichen wirtschaftlichen Schaden zufügen kann, vor allem hoch zentralisierte Systeme sind immer sehr empfindlich.
Das Publikum sah das jedoch anders. Es wurden sehr wohl Bedenken laut, dass durch einen Cyber War beispielsweise Atomkraftwerke zu Mordwaffen umfunktioniert werden können und die Infrastruktur gefährdet ist.
Das Podium ist sich dieser Gefahr natürlich auch bewusst, doch sind sie ja von der Frage nach Cyber War bei WikiLeaks ausgegangen, eine militärische Ausgestaltung ist eine andere Diskussion.
Zum Schluss wollte Jürgen Schade noch eine Antwort auf die Frage der Auswirkung von WikiLeaks für die Pressefreiheit haben. Dr. Mittenzwei meint, dass es bei uns ja eine funktionierende Presse gäbe, in der arabischen Welt jedoch nicht, dort war WikiLeaks der Auslöser für die notwendigen Aufstände gegen Diktatoren, Informationen sind wichtig für die Demokratie.
Doris sieht in WikiLeaks auch nicht unbedingt einen Heilsbringer für die Informationsgesellschaft, sonder eher ein neues Phänomen, das auf Bekanntem aufbaut.
Die allerletzte Frage, wie die Zukunft einer Informationsgesellschaft aussehen könnte, beantwortete Johano, der „Vordenker der SPD“, wunderbar philosophisch:
Nötig ist eine Rückkehr zur Erkenntnis, dass sich der Mensch nicht über die Natur erheben kann. Schwierig wird die Auswahl der Information – welche ist wichtig, welche nicht –, denn Information ist nicht gleich Wissen. Eine absolute Absicherung geht nur auf Kosten der Freiheit, daher hat die Vorratsdatenspeicherung bei uns nichts verloren. Entscheidend wird sein, ob der Mensch sich bewusst ist, dass das Leben gefährlich ist. Wer absolute Sicherheit will, muss davon ausgehen, in Unfreiheit zu leben.
SPD Kreisverband Starnberg, Beate Schnorfeil
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